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Indian News 73, 2004

Wie ich zu meiner INDIAN kam ...

In den 80er Jahren arbeitete ich beim Messebau. Das hatte den Vorteil, dass ich jeden Winter in der messefreien Zeit 3 Monate Urlaub hatte. Diese Zeit nutzte ich, um als Rucksacktourist ferne Länder zu bereisen.

Eines Nachmittags saß ich in Venezuela in einem Cafe und hörte, wie sich am Nebentisch zwei Leute im vertrauten bayrisch unterhielten. Ich setzte mich dazu und alsbald kam das Gespräch auf´s Motorradfahren. Man erzählte mir, ein nach Neuseeland ausgewanderter Freund habe ein altes amerikanisches Motorrad nach Deutschland mitgebracht, um es zu verkaufen. Es stünde in Freising bei seinem Bruder und ich könne es mir dort ansehen. Da ich eine HD Knucklehead suchte (man möge mir verzeihen), ließ ich mir die Telefonnummer geben und stand 2 Monate später vor der Garage in Freising. Hier erwartete mich ein mir völlig unbekanntes Unikum mit Militärlackierung, ölverschmiert, rostig, verzollt aber nicht fahrbereit, mit einem fremdartigen Nummernschild. Ein Blick in die Papiere belehrte mich, dass es sich um eine INDIAN Scout 741 von 1943 handelte. Aha. Zwar hatte ich noch nie eine INDIAN gesehen, aber dass es etwas Besonderes war, war mir schon klar.

Der Bruder des Eigentümers hatte 2 Jahre lang vergeblich versucht, die Scout zuverkaufen, nun brauchte er den Platz in seiner Garage. Zu meinem Erstaunen forderte er mich auf, das Krad samt Papieren mitzunehmen und in München in seinem Auftrag zu verkaufen - ohne mich jemals zuvor gesehen zu haben...

Während der nächsten Jahre stand die Scout in meiner Garage. Jeder Versuch, sie zum Laufen zu bringen, schlug genau so fehl, wie meinefloat Verkaufsbemühungen. In München waren langgabelige, verchromte HD´s angesagt. Langsam jedoch erwuchs mein Interesse. Ich besorgte mir Literatur und fand heraus, dass die Maschine nahezu 100% original war. Ich wurde Clubmitglied und spätestens nach dem Besuch der INDIAN-Rally in Holland war mir klar: Ich werde die Scout behalten.

Im nächsten Winter trieb mich die Abenteuerlust nach Neuseeland, wo ich den Eigentümer besuchte. Er hatte gerade ein Haus gekauft und brauchte dringend Geld. Die Scout habe ihn seinerzeit 4.000 DM gekostet und für diesen Preis bot er sie mir an. Da kann man nicht viel falsch machen, dachte ich mir und überwies nach meiner Rückkehr das Geld nach Neuseeland.

Kurze Zeit später erzählte mir ein Bekannter, er kenne jemand, der in seiner Hinterhofwerkstatt die Steilwand- INDIANs vom Oktoberfest repariere. Die Sache kam in Bewegung. Ich suchte den Mann, einen gewissen Peter S., auf und sagte zu ihm voller Begeisterung: Du, ich habe mir eine INDIAN gekauft! Seine staubtrockene Antwort war: „Herzliches Beileid“. Immerhin konnte ich ihn überreden, dass ich die Scout in seine Werkstatt bringen durfte und er sich´s mal anschauen wolle.

Dieser Schrauber entpuppte sich zwar als kompetent aber stinkfaul. Immerhin fand er im Laufe der Zeit heraus, dass Kolben, Zylinder, Kupplung, Vergaser, Lima sowie einige andere „Kleinigkeiten“ einer Überarbeitung bedurften. Bedingt durch sein Phlegma dauerte es allerdings 15 Monate, bis das Kraftrad endlich repariert, fahrbereit, geTÜVt und zugelassen war. An einem verregneten Sonntagmorgen wurde ich auf einem verwaisten Firmenparkplatz in die Geheimnisse von Fußkupplung, Tankschaltung und der Zündverstellung eingeweiht, dann war alles klar.

Bald entwickelte sich die Scout zu meinem Lieblingsmotorrad. Leider lief sie nicht so schnell, sodass ich damit keine weiteren Touren unternahm, sondern mich überwiegend im S-Bahnbereich bewegte.

Fast 10 Jahre blieb sie mir ein zuverlässiger Gefährte, stets bestaunt wohin ich auch immer damit kam. In all dieser Zeit habe ich sie nie geputzt, denn sie sollte aussehen, als ob sie gerade von der Front käme. Leider wurde sie im Lauf der Jahre immer langsamer, der Motor krachte, schepperte und rauchte und die Gänge begannen rauszuspringen. Kurzum, eine Generalüberholung stand an.

Ich baute Motor und Getriebe aus und zerlegte beides zusammen mit dem Chef einer Werkstatt im Ruhrpott. "Oh je, oh je", seufzte er jedesmal, wenn uns wieder ein völlig ausgelutschtes Teil entgegenkam.

Ich will es kurz machen. Etwa 5.000 DM hätten Motor- sowie Getriebeüberholung gekostet, leider war ich ziemlich pleite. Zufällig wusste der Werkstattinhaber gerade jemand, der eine Scout suchte und relativ gut zahlte, und so hieß es für mich schweren Herzens: Good bye Scout!

Peter Kummer